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Sonneberg: Der besondere Blick auf den Tod

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Tags: SonnebergKrematoriumtod

Riecht so der Tod? Es liegt ein leichter Fäulnisgeruch in der Luft. Frank Fleischmann dreht den Kopf zurück. Er atmet ein. 'Das ist das vergammelte Holz', sagt er und macht vorsichtig einen Schritt. An einer halb verschlossenen Tür läuft Regenwasser herunter.

Dass es in diesen alten Krematorien einen besonderen Geruch gebe, könne er nicht bestätigen. Seit mehreren Jahren durchstreift er Krematorien aus der Jugendstilzeit - vor allem in Thüringen aber auch in den Nachbarländern. Seine Fotografien werden demnächst in einer Ausstellung in Kassel zu sehen sein.

'Ich dokumentiere Zeugnisse der Zivilisation, die sich die Natur zurückholt', sagt der 42-Jährige. In vielen Ecken Thüringens und Deutschlands hat Fleischmann den Verfall von Krematorien schon fotografiert und diese Touren auf seiner Webseite festgehalten. Unter anderem war er in Gera, Hildburghausen, Mühlhausen, aber auch in Dessau, Dresden, Halle/Saale und Berlin.

In seinen Arbeiten fallen immer wieder die teilweise skurrilen Details des Sterbens jener Orte auf, die so viel mit dem Tod zu tun haben - eine vergessene Uhr etwa oder ein säuberlich beschrifteter Handtuchhalter. Gewöhnlich zieht er mit zwei Kameras los. Mit einer kleinen Kompaktkamera ließen sich Türen oder Durchgänge gut abzulichten, sagt Fleischmann. Für die Bilder im Inneren nutzt er die bessere Spiegelreflexkamera. Die Bilder würden minimal nachbearbeitet. Lieber wähle er eine relativ lange Belichtungszeit.

Mit einer Taschenlampe leuchtet Fleischmann die Decke aus. Dort klaffen mittelgroße Löcher. Sie geben den Blick auf die Dachkonstruktion der alten Trauerhalle des Sonneberger Friedhofs frei, die direkt über dem alten Krematorium steht. Bis 1983 wurde hier von den Toten Abschied genommen, bis 1994 war der Ofen in Betrieb. Nun wird der Bau abgerissen. Die Arbeiter bitten Fleischmann, sich zu beeilen und auf große Spaziergänge zu verzichten. Das 1911 erbaute Haus sei massiv einsturzgefährdet.

Doch der Mann, der in Erlau lebt und in Suhl als Sprecher einer Behörde arbeitet, lässt sich davon nicht beirren. Sein Interesse an alten Krematorien hat genau hier seinen Ursprung. Er deutet auf ein mit Efeu zugewuchertes Fenster, in dem mehrere Gießkannen hängen. 'Als die Decke einstürzte, fielen die Gießkannen herunter. Einige verfingen sich gleich in dem Efeu. Andere wurden später davon nach oben gezogen. Dieser Anblick hat mich nicht wieder losgelassen', sagt er. Das war 2008.

Menschen, die gerne fotografieren und sich als Motiv Friedhöfe wählen, gibt es wahrscheinlich viele in Deutschland. Doch ist Fleischmanns Leidenschaft für alte Krematorien ziemlich einmalig. Das jedenfalls meint der Leiter des Museums für Sepulkralkultur in Kassel, Reiner Sörries. Das deutschlandweit einzigartige Haus veranschaulicht Wandel und Kontinuitäten in der Bestattungs- und Trauerkultur. Dort werden Fleischmanns Fotografien ab Ende Oktober zu sehen sein.

Seine Streifzüge haben Fleischmann eine neue Perspektive auf das unvermeidliche Ende eröffnet. 'Wenn ich das erste Mal in ein neues Objekt gehe, stellen sich auch bei mir immer noch ein paar Nackenhaare auf', sagt er. Zugleich legt er jedoch Wert darauf, bei all seinen Arbeiten stets das Einverständnis der Eigentümer zu haben. 'Aber ich habe keine Angst vor dem, was ich in den Krematorien sehe. Ich betrete sie nicht mit Furcht - aber mit Ehrfurcht.' Der distanzierte und automatisierte Umgang mit Toten im 21. Jahrhundert bereite ihm mehr Unwohlsein als die Trauerkultur, die es vor 100 Jahren gegeben habe. Die sei wesentlich persönlicher gewesen.

Als Grufti sieht sich der Mann aber trotz seines Hobbys nicht. Sein Interesse am Jugendstil sei vor mehr als 15 Jahren zuerst von verlassenen Industriebauten aus dieser Zeit geweckt worden, sagt er. Mit seinem nächsten Motiv kehre er deshalb quasi zu seinen Ursprüngen zurück. Er will eine alte Brauerei in Südthüringen vor die Linse nehmen. Zumindest der Geruch werde wohl ein anderer sein.




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